Workshops und Panels

Workshops und Panels

Teaserbild Suttnertage

 

An Tag 1 finden parallel vier Workshops statt. An Tag 2 erwarten Sie drei parallel laufende Panels mit je drei Beiträgen. Die Anzahl der Teilnehmer*innen an den Workshops und Panels ist begrenzt, sichern Sie sich daher rasch Ihren Platz.

Workshops

Shared Walks – Spaziererkundungslabor

Bernd Rohrauer BA MA MA

Im Rahmen des Walkshops werden die Teilnehmenden dazu eingeladen, innere und wahrgenommene Wirklichkeiten spazierend zu erkunden, in einen Dialog zu bringen und interaktiv-kreativ zu bearbeiten.

Die Methode Shared Walks ist das Ergebnis eines künstlerisch-partizipativen Forschungsprojektes von Eylem Ertürk, Nathalia Portella und Bernd Rohrauer zur Frage „How can we walk with others?“ Als Methode verbindet Shared Walks die Ergebnisse aus partizipativen walking research labs, die seit 2018 neben Wien, auch in Villach, Berlin, Griechenland, Zypern, England  und Schweden umgesetzt wurden.

Erkundet werden Potentiale des Gehens für die Verortung des Selbstes in Relation und in Interdependenz zu einem Gegenüber und der wahrgenommenen Umwelt. Interessensleitend für Shared Walks ist die übergeordnete Frage nach ermöglichenden Potentialen für soziale Interaktions-, räumliche Aneignungs- und gesellschaftliche Teilhabeerfahrungen in diversifizierten und segregierten Gesellschaften. Als Methode lässt sich Shared Walks in unterschiedliche Handlungskontexte integrieren – von multiprofessionellen Teambildungsprozessen, über partizipative raumplanerische Projekte, bis hin zur prozessualen Begleitung von Besiedelungsprojekten. Umgekehrt erlaubt und fördert sie die methodische Integration vertiefender Ansätze, wie  community mapping aus der radical geography, kreative Ansätze aus der künstlerischen Forschung oder sozialwissenschaftlich qualitative Methoden. Dabei versteht sich Shared Walks sowohl zielgruppen- als auch anwendungs- sowie entwicklungsoffen, weshalb die Ergebnisse jedes walking research labs Artefakte der Weiterentwicklung sind und die Methode zugunsten der Aneignung frei zur Verfügung gestellt wird.  Alle weiterführenden Infos mit Manual zur Methode und dem Toolkit zum Download finden sich unter www.sharedwalks.com

Future Care. Entwicklung von Visionen einer proaktiven Pflegekultur

Mag.a Ulli Röhsner und Dr. Christopher Schlembach

In Auseinandersetzung mit den Bedarfen und den Visionen betreuter und betreuender Bürger:innen sollen in dem Workshop mögliche Wege in eine proaktive Pflegekultur entwickelt werden, in der die unterschiedlichen Perspektiven von Professionellen und Laien, von pflegenden und gepflegten Personen berücksichtigt werden. 

 

Wie setzen digitaler und sozialer Wandel Praxis und Identitätsanforderungen unter Druck? Aktuelle Forschungsbeispiele zur Diskussion gestellt

Rahmen, Koordination und Moderation: Univ.-Prof.in Dr.in Aglaja Przyborski 

Anhand von vier Forschungsbeispielen wollen wir mit den Teilnehmer*innen des Workshops zum übergreifenden Thema ins Gespräch kommen:

Laura Wiesböck: Neue Arbeitsanforderungen in der Gig-Economy: Informelle Putzkräfte als „digital entrepreneurs“.

Moritz Meister: „Und es passt nicht mehr zum Gefühl“ – Fallvignette zu Paradoxien in der digital gestützten Selbstreflexion mit Mood Tracking Apps.

Luzia Soellinger: Psychotherapeut*innen unter Forschungsdruck. Fallvignette zu Dilemmata professioneller Identität

Johann-Christian Berger: Dimensionen der Identitätsentwicklung in der Adoleszenz .

Identitätswandel von Beteiligten am inklusiven gemeinschaftlichen Wohnen für Menschen mit psychischen Krankheitserfahrungen: Bewohnende, Nachbar*innen und Professionist*innen

Mag. Tim Brunöhler

Der gesellschafftliche Wandel zu Inklusion und De-Institutionalisierung betrifft auch den Bereich des Wohnens. Im Fall von Menschen mit psychischen Krankheit(serfahrung)en kann inkusive(re)s Wohnen zu Identitätswandel bei ihnen selbst und ihrem Umfeld führen. Der Workshop beschäftigt sich mit Verschiebungen im Dreieck „Bewohnende (m.p.KE) – Nachbar*innen – Professionist*innen“. So können bei inklusiv gedacht und gelebten Wohnformen veränderte Tätigkeiten, Verortungen, zeitliche Muster, Rollen, Vertragsverhältnisse, etc. auch Veränderungen der Identität nach sich ziehen. Wie sahen und sehen sich die drei genannten Gruppen – selbst und zueinander? Verschwindet die Identität als Klient*in? Was löst eine neue Rolle als Mieter*in aus? Beinhaltet das Wort (Haus-)Nachbar*in in inklusiven Wohnformen mehr Verantwortung als üblich? Werden stationäre Betreuende den Identitätswandel hin zu mobilen Assistent*innen (gut) schaffen? Wie wandelt sich der Habitus einer Ärztin beim Hausbesuch, den sie in einem gemischten Wohnhaus statt einer spezialisierten Einrichtung macht? Was macht es mit der Identität eines Psychotherapeuten, wenn er plötzlich auch Nachbar einer Person seiner Patient*innen-Zielgruppe sein kann? Der Workshop wird diesen und ähnlichen Fragen zum Wandel von Identität der o.g. Beteiligten in Form von Gruppenarbeit an vorbereitetem Material nachgehen. Der Workshop speist sich aus Erhebungsdaten und darauf aufbauenden Überlegungen im Forschungsprojekt SPUR.

Panel 1

„Entdecke deine wahren Gefühle!“ – (Selbst-)Bilder und Versprechen in der digitalen Gefühlsvermessung

Moritz Meister, MSc

Digital gestützte Gefühlsvermessung – sogenanntes Mood Tracking – boomt in diversen Kontexten: Von Tagebuch- und Zyklus- bis zu Fitness- oder Mental Health-Apps. In diesem jungen Phänomen werden grundlegende Fragen verhandelt: Der Beziehung zu sich selbst, die Reflexion der eigenen Gefühlswelt, Wohlbefinden und Produktivität usw. Diese Fragen stehen dabei in Wechselwirkung mit übergreifenden gesellschaftlichen Diskursen.

In dem Beitrag wird ein Ausschnitt des empirischen Datenmaterials aus dem laufenden Dissertationsprojekt „The Quantified Affect: Microdispositifs of Mood Tracking“ (MIMOT, gefördert von der GFF NÖ) präsentiert. Der Fokus liegt dabei auf implizit-bildlichem Wissen, das sich im visuellen Auftritt zweier populärer Apps artikuliert. Icons und Welcome-Screens kommunizieren ideale Nutzer*innentypen und Anwendungsszenarien in symbolisch verdichteter Form. Durch Walkthroughs und Bildanalysen mit der dokumentarischen Methode können diese Sinngehalte systematisch rekonstruiert werden. Beide Apps, eine aus dem Privat-, eine aus dem Arbeitskontext, werden miteinander und entlang ihrer zeitlichen Entwicklung über fünf Jahre hinweg verglichen.

Epistemisches Profiling: Die methodische Produktion von Wissenssubjekten im Polizeinotruf

Dr. Dipl.-Soz. Philipp Knopp

Der Polizeinotruf ist für viele Menschen ein alltägliches Mittel der Bewältigung von Konfliktsituationen und Ärgernissen, die das Kriterium der Not – einer gegenwärtigen, dringenden und evidenten Gefahr – nur sehr bedingt erfüllen. Die praktische Grenzklassifikation zwischen Bagatelle und legitimem Einsatzgrund ist dabei oft fließend und wird unter dem Einfluss von Beschreibungen, Rhetorik, Aushandlungen, Drohungen und Verheißungen von Anrufenden im Notrufgespräch interaktiv gezogen. Die Wirksamkeit dieser Darstellungspraktiken basiert auf der Zuschreibung von Glaubwürdigkeit durch Polizist:innen. Die erfolgreiche Darstellung wird damit zum zentralen Kriterium für die Fähigkeit, die Polizei zu mobilisieren.

Im Vortrag wird dieser Prozess als epistemisches Profiling beschrieben, bei dem Polizist:innen Unbekannte durch Verdatung und mediatisiertes Hören den Status eines Wissenssubjekts, das in der Lage ist, eine ‚wahre‘ Begebenheit zu beschreiben und ‚wahres‘ Wissen zu vermitteln, zuweisen oder verweigern. Dadurch entstehen soziotechnische Hybrididentitäten, die aus anonymen Anrufer:innen wiedererkennbare epistemische Einheiten formen, die in Diskursen in der Leitstelle und in deren Datenbanken als data double Gestalt annehmen. In diesem Kontext wird die „Psychose“ zur Figur der personifizierten Unglaubwürdigkeit. Ihre Detektion wird zur bedeutenden Aufgabe des epistemischen Profilings im Notruf, bei der auf dem Spiel steht, was ‚echte‘ Not ist. Der Vortrag beschreibt diese Praktiken auf der Basis von ethnografischen Beobachtungen in Polizeileitzentralen.

Community Actions - Brücken zwischen Menschen bauen durch interkulturellen Dialog

DSA in Sonja Hamburger (Concordia)

Die Angebote des CONCORDIA LenZ sind nicht nur als Hilfestellung für neuzugewanderte Menschen zu verstehen, sondern auch als Projekt, das den interkulturellen Dialog zwischen Aufnahmegesellschaft und Menschen mit Migrations- oder Fluchterfahrung fördert. Integration kann nicht einseitig stattfinden – Teile erfolgreicher und nachhaltiger Integration sind sowohl die zugewanderten Menschen wie auch die Aufnahmegesellschaft. Begegnungen zwischen diesen zwei Gruppen spielen eine sehr wichtige Rolle, da durch den Dialog unbegründete Ängste, Hemmungen und Vorurteile abgebaut werden und ein Miteinander gefördert wird.

Unter „Community Action“ verstehen wir einen Ort der Begegnung, wo kulturelle Vielfalt erlebt und soziokulturelle Erfahrung gesammelt werden können und dem Bedürfnis nach sozialer Interaktion Raum gegeben wird. Es wird das Konzept vorgestellt und diskutiert, Möglichkeiten und Grenzen aufgezeigt und durchgedacht.

Panel 2

Jung und radikal: Wenn Krisen zur Gefahr werden

DSA Alexander Grohs, MSc (Neustart)

Für Heranwachsende ist die Pubertät schon eine Herausforderung. In Zeiten von gesellschaftlichen (multiplen) Krisen steigt die Dynamik von Entwicklungen und erzeugt die Sehnsucht nach schnellen und einfachen Antworten. Dies hat Auswirkungen auf die kulturelle Identität, Rollen- und Geschlechterbilder sowie Radikalisierungs- und Extremismustendenzen. Es soll Fragen nachgegangen werden, die in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung sind: Was sind die Symptome und Auswirkungen? Was sind die Ursachen für Radikalisierung? Wie können wir intervenieren und im positiven Sinne unterstützen? Wo sind Grenzen des Möglichen in der Zusammenarbeit mit radikalisierten Jugendlichen?

Beruflicher Identitätswandel: Von Behindertenhelfer*innen zu inklusiv denkenden Digital(lern)coaches

Mag. Tim Brunöhler

Der gesellschaftliche Wandel der Digitalisierung erfasst auch Menschen mit Behinderungen und jene Berufe, die sie unterstützen. Auf beiden Seiten kann damit einhergehend Identitätswandel beobachtet (oder: gefordert) werden. Beispiele für Extremausprägungen entsprechender Identitäten sind auf der Seite von Menschen mit Behinderungen solche Personen, die nach wie vor undigitalisiert leben (müssen) – versus bspw. Social-Media-Influencer*innen. Auf der Seite der Unterstützungsberufe reicht das Spektrum von ebenfalls nicht digital literaten oder bewusst Digitalität nicht unterstützen wollenden Personen bis zu inhaltlich kompetenten und pädagogisch versierten Personen mit digital-inklusiver Grundhaltung.

Denkt man das Spektrum mehrdimensional, so lassen sich die Spannungsfelder erkennen, die die o.g. Extreme und andere Identitäten hervorbringen, in denen sie sich befinden und wandeln. Wenig überraschend können wir dabei Diversitätsdimensionen wie Alter oder Geschlecht ausmachen. Aber auch Kultur, das Verhältnis von Arbeit und Privatem, Berufsbezeichnungen, technische Ressourcen oder persönliche und organisationsspezifische Grundhaltungen prägen die Spannungsfelder. Der vorliegende Beitrag speist sich aus Nebenbeobachtungen im Forschungsprojekt START, in dem rund um IT, Behinderung, Unterstützung, Individuum und Organisation andere Fragen im Fokus standen. Somit versteht sich der Beitrag als Thesen-Input zur weiteren Diskussion während der Suttnertage.

Die Bedeutung Sozialer Identität aus umweltpsychologischer Perspektive

MMag. Gerald Käfer-Schmid, Bakk. MSc

 

Panel 3

Der Identitätsdiskurs und die Soziale Diagnostik.

Prof. Dr. Peter Pantuček-Eisenbacher

Die Identitätsdiskurse sind in den letzten Jahrzehnten sowohl von der politisch rechten wie auch der linken Seite in den Vordergrund gerückt, während die früher dominanten Fragen nach der Klasse oder der Schicht davon überlagert wurden. In der sozialen Diagnostik werden die Diskriminierungen sichtbar als Exklusionen von der gesellschaftlichen Kommunikation. Im Rahmen dieses Beitrags wird darüber berichtet, wie die Identitätsdebatten verhindern, die wesentlichen Fragen der Inklusion zu stellen.

Identitätsprozesse zwischen Vulnerabilität und Selbstwirksamkeit am Beispiel des Covid-19-Diskurses

Mag. Sabine Mandl

Der Vortrag gibt Einblicke in Ergebnisse aus dem vom FWF finanzierten Forschungsprojekt „Cov_enable: Vulnerabilität in Krisenzeiten neu denken“. Darin wird die Konstruktion von Vulnerabilität im Covid-19-Diskurs mit Fokus auf Behinderung multiperspektivisch beleuchtet. Es wird untersucht, wie sich Diskurse und Praktiken auf die Selbstwahrnehmung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen materialisieren. Der Vortrag thematisiert die Bewegungen zwischen Kontexten, die „vulnerabel machen“, und die darin eingelagerten kreativen, widerständigen Handlungsräume, in denen Selbstwirksamkeit erlebt wird. Hervorgehoben wird die Bedeutung der Anerkennung und Unterstützung dieser Widerstandskraft sowie das Aufzeigen von vulnerabel machenden Faktoren, die sich je nach Situation und Kontext im Wandel der Zeit verändern oder verfestigen können.

Die Ambivalenz der Identität: Psychische Gesundheit im Spannungsfeld von Selbstkonzept und Anpassungsfähigkeit

FH-Prof. DSA, Kurt Fellöcker, MA, MSc

Ausgangspunkt der Überlegungen ist der schwierige, aber insofern auch interessante, Begriff der Identität. Spätestens seit den Werken von E. Erikson ist der Begriff positiv konnotiert, man „braucht“ eine Identität, keine Identität zu haben, gilt als negativ. Nicht unähnlich verhält es sich mit der kollektiven Identität: Es wird suggeriert, ein Kollektiv ohne „Identität“ müsste zerfallen und das Spiel mit den Zerfallsängsten von Individuen und ganzen Nationen wird längst nicht nur von ultrarechten Parteien betrieben. Dass dieses Spiel funktioniert, zeigt zwar die Wirkmächtigkeit sozialer Diskurse und Praktiken, gleichzeitig wird aber auch eine Dynamik der Abgrenzung, Exklusion und Polarisierung forciert. In Bezug auf die psychische Gesundheit wird die Frage der individuellen Identität unter den Begriffen Selbstkonzept, Selbstbewusstsein und Selbstreflexion abgehandelt und soll im Referat differenzierter betrachtet werden. Durch die enge Verbundenheit von psychischer Gesundheit mit der Persönlichkeitsentwicklung und damit mit der lebenslangen Persönlichkeitsveränderung kommen deutlichere Ambivalenzen in den Blick. In einer sich rasch verändernden Welt können rigide Selbstkonzepte einer nötigen Fähigkeit zum Perspektivenwechsel und zur Anpassung im Weg stehen. Der Blick auf die Nachbarwissenschaften Bindungsforschung, Gehirnforschung und Epigenetik macht diese Ambivalenzen noch deutlicher. Psychische Gesundheit entsteht in mehrdeutigen Interaktionsprozessen, nicht durch Stabilisierung einer bestimmten Identität. Essentiell für einen persönlichkeitsverändernden Zugang ist eine soziale Situation in der lebensbestimmende innere Strukturen erkannt und reaktiviert werden, mit dem Ziel des Perspektivenwechsels und der Bewältigung aktueller Herausforderungen.