Friedenserziehung und Bildungsverständnis Bertha von Suttners
Friedenserziehung und Bildungsverständnis Bertha von Suttners
Bertha von Suttner unterstreicht programmatisch die große Bedeutung von Bildung und Erziehung in ihren politischen Schriften. Suttner erkennt die Schule als eine der mächtigen Instanzen der Sozialisation für eine Kultur der Gewalt. Daher war die Jugendbildung eines der erklärten Mittel, wie die neugegründeten deutschen und österreichischen Friedensgesellschaften zur Bewusstseinsveränderung beitragen konnten.
Suttners friedenspädagogische Alternativen setzen an bei:
- einer grundlegenden Kritik am Bildungssystem und
- bei konkreten friedenspädagogischen Aktivitäten
Besonders in zwei Werken lässt sich Bertha von Suttners Bildungsverständnis erschließen: Der Essay Das Maschinenalter bzw. Das Maschinenzeitalter (1889) wie er seit der 3. Auflage, als sich Suttner als Autorin zu erkennen gab, genannt wurde, steht für eine radikale Kritik des Schulwesens. Und der Roman, Die Waffen nieder! (1889) stellt ein Instrument für friedenspolitische Erziehung dar (siehe Wintersteiner 2007, van den Dungen 2014 u.a.m.).
Kritik am Bildungssystem
Suttner diskutiert einen deutlichen Zusammenhang zwischen Militarismus und der Geschlechterproblematik: unterschiedliche Erziehung der Geschlechter bringe eine Kultur des Krieges und der Gewalt hervor: Die jungen Männer sollen zu Helden erzogen werden, den Mädchen hingegen wird die Aufgabe zugeschrieben, diese Helden anzufeuern, zu belohnen und zu trösten. Somit tragen die unpolitisch gehaltenen, angeblich friedfertigen Frauen ihren Teil zur Aufrechterhaltung des Kriegssystems bei (Wintersberger 2007:109).
Einen Ausweg sieht Bertha von Suttner (1912) in einer freien Bildung, darin läge der Schlüssel zu einem eigenverantwortlichen Menschen: „Bildung ist Macht, Bildung ist Freiheit. Mit „freier Bildung“ meint sie vor allem „Schulprogramme, deren Inhalte den aktuellen Kenntnisstand der zeitgenössischen Wissenschaften entsprechen sollten und von konfessionellem Geist“ befreit sein sollten (vgl. Bertha von Suttner 1902).
Suttner selbst stand den behördlich an Kirche und Militär gebundenen Bildungseinrichtungen ihrer Zeit kritisch gegenüber und beklagt die Kluft zwischen dem Stand der Wissenschaft und dem in der Schule vorgetragenem Wissen:
„Unfreiheit hängt überall mit Unbildung so eng zusammen, dass das beste Mittel zum Festhalten der Bildungseinrichtungen an den Gefesselten stets darin bestand, sie so viel als möglich in Unwissenheit zu belassen. Daher der instinktive Widerwille gegen weibliches Wissen von Seiten der Männer; gegen Bildung der niederen Klassen von Seiten der hohen; gegen Aufklärung überhaupt von Seiten der Priester, dieser Gefängniswärter der Vernunft“. (vgl. Bertha von Suttner, [1899] 1923).
Kritik übt sie auch an der vielfach üblichen Mädchenerziehung im deutschen Kaiserreich und in der Habsburgermonarchie, welche in erster Linie darauf abzielte, aus den Mädchen gute Ehefrauen zu machen.
Explizit stößt sie sich gegen Bildungsprogramme, deren Ziel die Festlegung auf Geschlechtercharaktere und die Erfüllung von (Geschlechter-) Stereotypen wird. Häuslichkeit und Mütterlichkeit hieß es bei den Mädchen zu fördern, Mathematik und Leistungsstreben bei den Burschen. Die Ausbildung der Mädchen wurde als Familienangelegenheit betrachtet – als angemessene Ausbildungsstätte galt die Seite der Mutter, während die Ausbildung der Bürgersöhne intensiviert und gemäß den Erfordernissen des Militärs und der Berufswelt differenziert wurde.
Konkrete Aktivitäten Bertha von Suttners für die Friedensbildung
Der Roman, Die Waffen nieder! (1889) stellt ein Instrument für friedenspolitische Bildung dar. Dies kommt besonders im Lebensweg Marthas zum Ausdruck. Der Roman Die Waffen nieder! ist an sich ein friedenspädagogisches Programm (Wintersteiner 2007, Biedermann 1995 ). Weil der Roman
- ein Bildungsroman ist, der Kritik am Militarismus übt,
- in seiner Sprache und Struktur ein Modell impliziter „Friedensdidaktik“ verfolgt
- und durch seine Popularität zur Friedensidee beiträgt.
Beispiele dieser Didaktik:
- Martha als weibliche Protagonistin, argumentiert in Streitgesprächen mit Familienmitgliedern gegen den Krieg.
- In diesen Streitgesprächen werden verschiedene Argumente für und gegen den Krieg diskutiert, die Argumentation durch eine Polyphonie an Meinungen und Redevielfalt ausgeführt. Der/die Leser*in kann dabei eigene Auffassungen überprüfen und revidieren (zit. nach Biedermann 1995: 239).
- Schließlich trägt der Erfolg des Buches zur Verbreitung der Friedensidee und Friedensbewegung bei. Im Jahr 1896 erscheint eine broschierte Volksausgabe zu einer Deutschen Mark (als „Groschenroman“). Hedwig Pötting (eine sehr gute Freundin Berthas) bearbeitet das Buch für die Jugend, welches 1897 unter dem Titel Marthas Tagebuch aufgelegt wird.