Zurück
Zurück
Moritz Meister, MSc
Titel | Ausstellungskatalog: Über die "Eingriffe ins Kinderzimmer" |
Typ | Ausstellungskatalog |
Texte | Volltext: Sozialisation, also die Art und Weise, wie eine Gesellschaft ihre Jüngsten zu sozial umgänglichen Subjekten macht, ist nicht nur ein psychosozialer, sondern auch ein materiell-technologischer Vorgang. Wer einmal eine Dreijährige bei dem Versuch beobachtet hat, in einem Fotoalbum nach links zu wischen, weiß das. Kinder lernen Verhaltensweisen, Rollenzuschreibungen und Weltbilder ihrer jeweiligen Zeit in der Interaktion mit Gegenständen, die sie umgeben. Seit der neuzeitlichen Konzeption einer eigenen Lebensphase namens Kindheit heißt das "Spielen"; Dinge werden nur zu diesem Zweck angefertigt und Spielzeug genannt. Mit diesen Objekten wird von klein auf die Lebensrealität der Erwachsenen simuliert. Von der Puppenküche bis zum Kriegsspiel. Die Rollen, welche Spielzeug vermittelt, sind nicht unabhängig von Sozialstruktur und bestehenden Machtverhältnissen.
Im 21. Jahrhundert ist das Bewusstsein dafür gewachsen: Die Barbie erreicht nun beinahe Normalgewicht, Kinderbuchfiguren werden diverser, vor dem sprichwörtlichen „Schwarzen Mann“ braucht niemand Angst zu haben. Politisch inkorrektes Spielzeug kann Herstellern Kopf und Kragen kosten. Auf den ersten Blick riskieren die Arbeiten der Serie „Eingriffe ins Kinderzimmer“ genau das. Sie wirken zynisch, böse und pädagogisch fragwürdig. Die niedlichen Farmtiere werden zu Fleischprodukten, der Straßenspielteppich zeigt einen eingezäunten Grenzübergang, die Kinderbuchfigur Conni ertrinkt. Ist das einfach schwarzer Humor? Nicht nur, denn diese Gegenentwürfe enthalten eine politische Dimension.
In Kontrast zur gegenwärtigen Praxis der Korrektur aus der Zeit gefallener Kinderspiele befrieden die Eingriffe gesellschaftliche Widersprüche nicht, indem sie unsichtbar gemacht werden. Das Genre Kinderspielzeug entpuppt sich gar als geeignetes Vehikel für plakative Botschaften. Es fungiert als Medium für den Wandel auf dem schmalen Grat zwischen zynischer Effektsteigerung und höchst unironischer Fragen: Auf was für eine Welt möchten bzw. müssen wir unsere Kinder im Spiel vorbereiten? |
Verlage | Universität für Angewandte Kunst Wien |
Datum | 2021 |
Ort | Wien, Österreich |
URL | https://www.klassekartak.com/ |
erschienen in | Titel: Ausstellungskatalog "Fuck You Vey Much" - Designers as Troublemakers. Herausgeber*innenschaft: Universität für Angewandte Kunst Wien. Klasse für Grafik Design Prof. Oliver Kartak |
Seiten | 116, 127 |
Beteiligung | Meister Moritz: Textbeitrag Ludwig Pfeiffer: Künstler*in |