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Univ.-Prof. Mag. Dr. Oliver Koenig
Titel | Inklusion und Transformation in Organisationen: Grundlegungsversuche eines Transformativen Inklusionsmanagements |
Typ | Beitrag in Sammelband (peer-reviewed) |
Texte | Abstract: Mit der Bezeichnung Transformatives Inklusionsmanagement wurde im Zuge der Akkreditierung des interdisziplinären Masterstudiengangs „Inklusion und Trans- formation in Organisationen“ an der Bertha von Suttner Privatuniversität in St. Pölten ein neuer Begriff geschaffen. Dieser soll im Rahmen dieses Sammelbandes eine erste konzeptionelle Grundlegung erfahren, die sich zugleich als offene Such- bewegung versteht.
Dieses Buch ist auf mehreren Ebenen als Grenzgang zu verstehen. Es wendet sich aus einer inklusionspädagogischen Perspektive einem blinden Fleck in der diszi- plinären Auseinandersetzung zu, und zwar der organisationalen Bearbeitung und Verarbeitung von Inklusion. Damit einher gehen Folgen für die Produktion, Auf- rechterhaltung oder Überwindung von Ungleichheit und Exklusion in all ihren Formen und Ausprägungen innerhalb, an und jenseits der Grenzen organisationa- ler Praxis (vgl. Midgley 2000; Dobusch 2015; Ferdmann u. a. 2020).
Die Veröffentlichung dieses Buches trifft dabei auf einen potentiellen historischen Wendepunkt am – noch immer offenen – Ausgang der globalen COVID-19 Pan- demie. Nicht nur haben die Jahre seit dem März 2020 das Versagen institutioneller Unterstützungsmechanismen deutlich gemacht (Knapp u.a. 2021), sondern auch eine davor schon bestehende, latente Visions- und Innovationsarmut im organisationalen Neu- und Weiterdenken von Inklusion aufgedeckt, für und vor allem mit Menschen, die von Marginalisierung betroffen sind. Auch mehr als eine Dekade nach der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Men- schen mit Behinderungen in Österreich und Deutschland (bzw. nach mehr als 5 Jahren in der Schweiz)1 lassen sich weitreichende politische Reformen, die über bloße Systemanpassung in den Angeboten und Strukturen von Unterstützungs- maßnahmen für Menschen mit Behinderungen hinausgehen, nicht erkennen. Viele der für die Umsetzung der UNBRK zentralen Reform- und Transformati- onsbereiche, wie etwa die inklusive Bildung oder die Deinstitutionalisierung, sind im Getriebe festgefahrener Positionen, ergebnisloser Arbeitskreise sowie Debatten um die ungelöste Problematik föderaler Strukturen stecken geblieben oder es hat sich ihrer schlichtweg bisher niemand aktiv angenommen.
Dies trifft in gewisser Art und Weise auch auf die häufig selbstreferentielle diszi- plinäre Auseinandersetzung mit Fragen der Inklusion im Feld der Inklusionsfor- schung zu. Aus einer solchen Befassung mit sich selbst werden zwar die (mehr oder weniger geglückten) Realisierungen von Inklusion mit ihren eigenen An- sprüchen konfrontiert (vgl. Geldner 2020, 254), aber über die Grenzen des Feldes wird nur selten hinausgedacht. Demgegenüber verschreibt sich dieses Buch dem Anspruch eines konsequenten inter- und transdisziplinären theoretischen und methodischen Pluralismus. Gleichermaßen wird hier die Irritation, der Wider- spruch wie auch die Synergie und die Verbindung gesucht. Die Inhalte befassen sich mit theoretischen Texten des Nachdenkens über Formen der gegenwärtigen Verfasstheit sowie des Neudenkens von Inklusion in organisationalen Zusammen- hängen und den damit einhergehenden Voraussetzungen. Diese werden in einen Bezug zu praktischen Beispielen gestellt, wie „Organisationen Anders Machen“ unter der Leitidee von Inklusion aussehen könnte. Gerade letzteres erscheint hier als essentiell, gelangen wir doch nur im eigentlichen Prozess des Transformierens zu Wissen und Einsicht, sowohl über das Wesen und die Grenzen von Organisa- tionen als auch die in ihre Praxen eingeschriebenen Muster (Ahmed 2012, 173f ). Dabei möchte das Buch weder den Prozess der bewussten Gestaltung von Inklu- sion in Form von additiven Rezepten oder Blaupausen vorwegnehmen noch das Zukunftsprojekt Inklusion als einen genau konkretisierbaren Endpunkt auf einer (transitorischen) Reise von A nach B missverstehen.
Im Unterschied zu komplizierten Prozessen, welche durch die genaue und ide- alerweise kollaborative Anwendung von Expert*innenwissen bewältigbar sind, sind inklusive Prozesse stets komplex und damit immer unvollständig, kontin- gent und offen (vgl. Snowden u. a. 2020). Inklusion ist dabei sowohl relational als auch relativ zu denken (vgl. Dobusch 2021). Es kann weder von den handelnden Personen, deren jeweiligen Verständnissen von Inklusion sowie der Qualität und Belastbarkeit von deren Beziehungen noch von den jeweils (historisch geformten) vorherrschenden und wirksamen gesellschaftlichen und organisationalen Inklusionsbedingungen (Weisser 2017, 147) abgesehen werden. In allen Fällen verlangt Inklusion nach einer Heraus-Forderung zur partizipativen Erweiterung und Ver- schiebung von Grenzen auf all den genannten Ebenen, die auch eine Zumutung darstellt: nach einer Praxis (Freire 1970), in der Aktion und Reflexion kombiniert werden, sich wechselseitig bedingen und bereichern. Dieses Buch will auch Anre- gungen zum Denken und Aufwerfen neuer Fragen bereitstellen, die in verschie- denen Kontexten und kontextübergreifend fruchtbar gemacht werden können. Es will Wege aufzeigen, die zum Experimentieren und Variieren im jeweils eige- nen Kontext inspirieren. Es wendet sich an eine interessierte Leser*innenschaft aus den Bereichen der Wissenschaft, der Praxis und der öffentlichen Verwaltung, die in einer vertieften Auseinandersetzung mit dieser komplexen Thematik eine Chance vermutet und sich dafür Ressourcen erschließen möchte. |
Autor*innen | Koenig Oliver |
Herausgeber*innenschaft | Koenig Oliver |
Verlage | Klinkhardt, Julius |
Datum | 2022 |
Ort | Bad Heilbrunn |
ISBN/ISSN/ISMN | 978-3-7815-2538-2 |
DOI | doi.org/10.35468/5978-02 |
erschienen in | Titel: Inklusion und Transformation in Organisationen Herausgeber*innenschaft: Koenig Oliver Verlage: Klinkhardt, Julius |
Seiten | 19-37 |