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Univ.-Prof. Dr. Eberhard Raithelhuber, Privatdozent
Titel | „Achtung Bauarbeiten!“: Ansätze zur Erkenntnisgewinnung in der Sozialen Arbeit in Zeiten der Transformation aus Perspektive der Theorie sozialer Probleme |
Typ | Vortrag |
Texte | Abstract:
Soziale Arbeit findet heute in einer Phase sozialen und politischen Wandels statt, der die Wohlfahrtserbringung verändern wird. In einem solchen Moment gilt es, unsere Erkenntnisproduktion zu überdenken. Um Wissen für die Zukunftsgestaltung Sozialer Arbeit zu gewinnen, lassen sich Phänomene in den Mittelpunkt stellen, die im disziplinären Diskurs vernachlässigt und sozialpolitisch (noch) unbestimmt sind. Besonders Studien, die von marginalisierten Positionen ausgehen und gleichzeitig universalistische Perspektiven im Blick behalten – etwa soziale Gerechtigkeit oder Inklusion –, können Wissen zur Reflexion und Gestaltung von Transformationsprozessen bereitstellen. Der Beitrag präsentiert hierzu die forschungsstrategische Perspektive „„Social Problems Work ‚in Limbo‘“ (Raithelhuber 2019), die auf der „social problems theory“ (Spector & Kitsuse 1977) fußt. Denn ein solcher sozialkonstruktionstische Ansatz eignet sich aufgrund seiner Prozessorientierung besonders gut, um dynamische Phänomene in den Blick zu nehmen. Neuere Beiträge hierzu schlagen vor, damit auch Zukünfte zu erkunden (Best 2018; Best & Loseke 2018).
Ausgangspunkt des Beitrags bildet die These, dass Formen und Akteur:innen der sozialen Hilfe und Unterstützung, die der sozialen Dienstleistungserbringung zwar ähnlich sind, aber (noch) nicht als Teil der Wohlfahrtserbringung kanonisiert sind, in der professionsorientierten Forschung eher vernachlässigt werden. Als „paraprofessionell“, „ehrenamtlich“, „informell“ oder „spontan“ abgeschieden kommt ihnen in der Debatte Sozialer Arbeit oft nur ein Ergänzungs-, Rand- oder Übergangscharakter zu. Zumeist wird beforscht, wie alltägliche Schwierigkeiten durch Professionelle zu sozialen Problemen umgewandelt werden, die dann als Fälle bearbeitet werden können (Groenemeyer 2010). Diese Art von Studien konzentriert sich auf routinisierte Praktiken in Organisationen. Daneben werden – wenngleich seltener –abgeschlossene Prozesse der Politikaushandlung analysiert, in denen soziale Probleme bereits definiert und anerkannt wurden (bspw. bei Hammerschmidt et al. 2019; Dollinger 2010). Dieser „social problem process“ wird rückblickend oft entlang eines idealtypischen Modells analysiert: vom „claimsmaking“ sozialer Missstände und deren öffentlich-medialer Verhandlung über die Festschreibung eines Problems im politischen Prozess bis zur Delegation an wohlfahrtsstaatliche Institutionen und einer Bewertung von Ergebnissen.
Die zwei Perspektiven – jene auf die professionelle Praxis sowie jene auf die öffentlich-politische Aushandlung – werden in der Regel getrennt voneinander untersucht. Sie werden als zwei unterschiedliche Gegenstände verstanden. Eine solche Zweiteilung sollte aber im Sinne zukunftsorientierter Erkenntnisgewinnung überwunden werden. Denn gerade in Feldern, die als Grenzzonen und Transformationsbereiche Sozialer Arbeit beschrieben werden (bspw. „im Schatten des Wohlfahrtsstaats“), finden beide Prozesse gleichzeitig statt. Hier ist erstens oft noch nicht abschließend geklärt, ob und inwieweit ein beanstandeter Zustand dauerhaft in die wohlfahrtsstaatliche Bearbeitung aufgenommen werden soll. Und zweitens bearbeiten die Akteur:innen, die das Claimsmaking vorantreiben, oft gleichzeitig bereits unmittelbar Probleme auf personenbezogener Ebene – auch ohne gesetzlichen Auftrag und stabile Alimentierung. Eine solche „social problems work ‚in limbo‘“ (Raithelhuber 2019) vollziehen bspw. sozial innovative Initiativen, Selbsthilfebewegungen und Mobilisierungsformen „von unten“.
Der Beitrag skizziert Eckpunkte einer solchen forschungsstrategischen Ausrichtung. Dazu gehört, erstens, eine theoretisch-analytischen Perspektive, die diese Dynamiken von sozialer Problembearbeitung und -aushandlung gleichzeitig und in ihrer wechselseitigen Durchdringung erfassen kann. Zweitens müssen Kriterien festgelegt werden, mithilfe derer sich Gegenstände bestimmen lassen, die für die Gewinnung neuer Erkenntnisse besonders geeignet scheinen. Drittens muss die Rolle und das (Selbst-)Verständnis von Forschung und Forschenden hinsichtlich epistemologischer, methodologischer, disziplinärer und forschungsethischer Aspekte durchdacht werden.
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Vortragende | Raithelhuber Eberhard |
Titel der Veranstaltung | Konferenz der ÖFEB Sektion Sozialpädagogik 2025 "Be- und Entgrenzungen. Diskurse, Praktiken und Herausforderungen Sozialer Arbeit" |
Veranstalter*innen | Bütow, Birgit Jenny, Maria Amancay Holztrattner, Melanie |
Datum, Zeit und Ort | Datum: 2025-09-25 - 2025-09-26 Ort: Salzburg Ortsbeschreibung: Universität Salzburg - Unipark Nonntal |