Digitaler Humanismus

Digitaler Humanismus

Als Ausgangspunkt für den digitalen Humanismus dient der Bertha von Suttner Privatuniversität das 2019 veröffentlichte Wiener Manifest für Digitalen Humanismus (Werthner et al., 2019) und die 2020 veröffentlichten interdisziplinäre Grundlegung (Schmoelz, 2020). In dem Wiener Manifest macht der Erfinder von HTML und einer der Begründer des Word Wide Web Sir Timothy John Berners-Lee klar: „Digitale Technologien verändern die Gesellschaft fundamental und stellen unser Verständnis in Frage, was unsere Existenz als Menschen ausmacht“. In diesem Zitat werden menschliche Qualitäten wie das Verändern der Gesellschaft und das Infragestellen menschlicher Existenz der digitalen Technologien zugeschrieben.

Im Wiener Manifest für Digitalen Humanismus wird festgehalten: „Unsere Aufgabe besteht nicht nur darin, die Nachteile der Informations- und Kommunikationstechnologien einzudämmen, sondern vor allem auch darin, von Beginn an menschenzentrierte Innovationen zu fördern. Wir fordern einen Digitalen Humanismus, der das komplexe Zusammenspiel von Technologie und Menschheit beschreibt, analysiert und vor allem beeinflusst, für eine bessere Gesellschaft und ein besseres Leben unter voller Achtung universeller Menschenrechte.“

In der interdisziplinären Grundlegung begründen wir auf Basis der Untersuchung der Transformation der Conditio Humana im digitalen Zeitalter die zentralen Prinzipien des digitalen Humanismus.

Es gelten demnach Prinzipien

  • des Setzens von menschlichen Werten und Grenzen für die Digitalisierung,
  • der (ko-)kreativen Transformation von bestehenden Modellen der Digitalisierung und
  • der inklusiven Architektur und Besetzung des digitalen Raums.
WIENER MANIFEST

für Digitalen Humanismus
Dieses Manifest ist ein Aufruf zum Nachdenken und Handeln angesichts der aktuellen und zukünftigen technologischen Entwicklung. Download Wiener Manifest 

 

Special issue

zum Digitalen Humanismus
Welche Rollen und Funktionen werden digitalen Medien – im postiven wie im negativen Sinn – in unseren Gesellschaften zugeordnet? Download Special issue

Grundlagen

In welcher Denkrichtung ist der digitale Humanismus verortet? Verbirgt sich hinter diesem Begriff ein Paradigma und eine bestimmte Lehre vom Menschen? 
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Die Frage, was uns als Menschen ausmacht, war immer zentrale Aufgabe des Humanismus und wird im alltäglichen Sprachgebrauch und auch zu Beginn des Wiener Manifests der digitalen Technologie zugeschrieben: Technologien stellen also – angeblich – unser Verständnis vom Menschen in Frage. Dieser digitale Antihumanismus ist Ausgangspunkt des Manifestes und dient der Problematisierung der Digitalisierung. Weiters wird von „eigenständigem Computer“ gesprochen, denn der „eigenständige Computer […] führt zu einer globalen industriellen und gesellschaftlichen Revolution“. Nicht der Mensch ist Protagonist und Auslöserin dieser Revolution, sondern der eigenständige Computer. Auch hier wird in logisch und wissenschaftstheoretisch falsifizierbarer Art und Weise eine menschliche Qualität – die Eigenständigkeit und das Auslösen einer Revolution – der digitalen Technologie zugeschrieben.

 

Was macht den Menschen aus?

Die Frage, was unsere Existenz als Menschen ausmacht, war indes immer zentrale Aufgabe des Humanismus und wird mit diesem Sprachgebrauch der digitalen Technologie zugeschrieben: Technologien stellen also – angeblich – unser Verständnis in Frage. Dieser digitale Antihumanismus ist Ausgangspunkt des Manifestes und dient der Problematisierung der Digitalisierung. Weiters wird von „eigenständigem Computer“ gesprochen, denn der „eigenständige Computer […] führt zu einer globalen industriellen und gesellschaftlichen Revolution“. Nicht der Mensch ist Protagonist und Auslöserin dieser Revolution, sondern der eigenständige Computer. Auch hier wird in logisch und wissenschaftstheoretisch falsifizierbarer Art und Weise eine menschliche Qualität – die Eigenständigkeit und das Auslösen einer Revolution – der digitalen Technologie zugeschrieben.

 

Der Mensch als Gestalter digitaler Technologien

Nach der Problematisierung aktueller Entwicklungen der Digitalisierung und in Abwendung von einem digitalen Antihumanismus wendet sich jedoch der Sprachgebrauch im Wiener Manifest zum digitalen Humanismus und der Mensch tritt als Gestalter digitaler Technologien in den Vordergrund. Es wird der „Ruf nach Aufklärung und Humanismus“ laut. Es gilt „humanistische Ideale mit einer kritischen Reflexion des technischen Fortschritts“ zu verbinden. Das Wiener Manifest des digitalen Humanismus steht in der „intellektuellen Tradition des Humanismus“. Protagonistinnen und Protagonisten aus Wissenschaft, Bildung, Politik und Industrie sollen „Technologien nach menschlichen Werten und Bedürfnissen formen, anstatt nur zuzulassen, dass Technologien Menschen formen“. Hier wird das Manifest vom Kopf auf die Füße gestellt, nicht mehr digitale Technologien verändern die Gesellschaft und werfen Fragen auf, sondern der Mensch muss Technologien formen, weil er sie immer schon geformt hat.

Ähnlich dem Manifest zum wissenschaftlichen Humanismus des Wiener Kreises scheinen bei diesem Manifest auch Aspekte der Aufklärung durch, denn der Mensch hat die Fähigkeit, Dinge zu verändern und nicht der „eigenständige Computer“ (Werthner u. a. 2019, 1). Zusätzlich muss dies „unter voller Achtung universeller Menschenrechte“ und mit Inklusion (siehe dazu Biewer et al., 2019; Koenig, 2014; Kremser, 2017; Zahnd et al., 2016) als erstes Ziel geschehen.

 

von Dr. Mag. Bakk. Alexander Schmölz

 

 

Quellenangaben:

Werthner, H., Lee, E., Akkermans, H., Vardi, M., & et al. (2019). Wiener Manifest für Digitalen Humanismus. https://www.informatik.tuwien.ac.at/dighum/wp-content/uploads/2019/07/Vienna_Manifesto_on_Digital_Humanism_DE.pdf
Nida-Rümelin, J., & Weidenfeld, N. (2018). Digitaler Humanismus: Eine Ethik für das Zeitalter der künstlichen Intelligenz. Piper.
Schmoelz, A. (2020). Die Conditio Humana im digitalen Zeitalter. Zur Grundlegung des Digitalen Humanismus und des Wiener Manifests. MedienPädagogik. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 20, 208–234. https://doi.org/10.21240/mpaed/00/2020.11.13.X
Biewer, G., Proyer, M., & Kremsner, G. (2019). Inklusive Schule und Vielfalt. Kohlhammer Verlag. https://search.ebscohost.com/login.aspx?direct=true&scope=site&db=nlebk&db=nlabk&AN=2090394
Koenig, O. (2014). Erwerbsarbeit als Identitätsziel. Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05426-7
Kremser, G. (2017). Vom Einschluss der Ausgeschlossenen zum Ausschluss der Eingeschlossenen. Klinkhardt. http://www.worldcat.org/oclc/993704395
Zahnd, R., Kremsner, G., & Proyer, M. (2016). Diskurs Macht Behinderung: Eine Systemkritik. In T. Sturm, A. Köpfer, & B. Wagener (Hrsg.), Bildungs- und Erziehungsorganisationen im Spannungsfeld von Inklusion und Ökonomisierung (S. 79–97). Verlag Julius Klinkhardt.